Das 90%-Syndrom – Warum Aufgaben kurz vor dem Ziel einbrechen.

Die Angst vor dem Abschluss

In der Welt des Projektmanagements taucht immer wieder ein Phänomen auf, das als „90%-Syndrom“ bekannt ist. Es beschreibt die Neigung von Mitarbeitenden, den Fortschritt ihrer Arbeitspakete auf 90 % zu beziffern, ohne jemals die letzten 10 % abzuschließen. Doch was steckt hinter dieser weit verbreiteten Verhaltensweise und wie können Projektleitung und Team ihr begegnen?

Was ist das 90%-Syndrom?

Das 90%-Syndrom bezeichnet die Situation, in der Projektmitarbeitende ihre Aufgaben als nahezu abgeschlossen melden, jedoch die letzten Schritte zur endgültigen Fertigstellung nicht vollziehen. Dieser Verhaltensweise liegt häufig eine gewisse Unsicherheit und Angst oder Perfektionismus zugrunde. Der Begriff spielt darauf an, dass viele Aufgaben immer wieder mit einem Fertigstellungsgrad von 90 % gemeldet werden, auch dann wenn bereits fertig sind oder tatsächlich ganz kurz vor der Vollendung stehen.

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Welche Ursachen hat das 90%-Syndrom?

Die Gründe für das 90%-Syndrom sind vielfältig:

  1. Perfektionismus: Mitarbeitende möchten ihre Arbeit so perfekt wie möglich abschließen. Die letzten 10 % erfordern oft besonders viel Sorgfalt und Detailarbeit, was Zeit und Energie kostet.
  2. Angst vor Kritik: Die endgültige Abgabe eines Arbeitspakets bedeutet, dass es von Vorgesetzten und Kolleg:innen bewertet wird. Diese Bewertung könnte negative Kritik mit sich bringen, was viele vermeiden möchten.
  3. Unsicherheit: Manchmal sind sich Mitarbeitende unsicher, ob ihre Arbeit tatsächlich alle Anforderungen erfüllt. Diese Unsicherheit führt dazu, dass sie die Aufgabe lieber als „fast fertig“ deklarieren, um eventuellen Nachbesserungen aus dem Weg zu gehen.
  4. Verlust von Einfluss: Einmal abgeschlossen entzieht sich die Aufgabe dem eignen Einflussbereich. So lange es nicht 100% fertig ist, kann nachgebessert, ergänzt und verändert werden. der letzte Schritt, die „Meldung der Fertigstellung“ kostet daher oft Überwindung.
  5. Mangelnde Priorität: In einem dynamischen Projektumfeld kann es vorkommen, dass neue, dringende Aufgaben die Fertigstellung bestehender Arbeitspakete verdrängen.

Auswirkungen auf das Projekt

Das 90%-Syndrom kann erhebliche Auswirkungen auf den Projekterfolg haben:

  • Zeitverzögerungen: Wenn viele Aufgaben bei 90 % stagnieren, verzögert sich das gesamte Projekt, da diese Aufgaben nicht in den nächsten Projektphasen berücksichtigt werden können.
  • Qualitätsprobleme: Nicht vollständig abgeschlossene Arbeitspakete können die Qualität des Endprodukts beeinträchtigen.
  • Fehlende Transparenz: Der tatsächliche Projektfortschritt wird verschleiert, was die Planung und Steuerung erschwert.

Strategien zur Überwindung vom 90%-Syndrom

Projektleitung und Teams können verschiedene Maßnahmen ergreifen, um das 90%-Syndrom zu überwinden:

  1. Klare Definition von „Fertig“: Es sollte klar definiert sein, wann ein Arbeitspaket als abgeschlossen gilt. Diese Definition muss allen Teammitgliedern bekannt und verständlich sein.
  2. Regelmäßige Reviews: Durch regelmäßige Zwischenprüfungen und Reviews können offene Punkte frühzeitig identifiziert und behoben werden.
  3. Positive Feedbackkultur: Eine Kultur, die konstruktives Feedback fördert und Fehler als Lernchancen betrachtet, kann die Angst vor Kritik mindern.
  4. Prioritätenmanagement: Eine klare Priorisierung der Aufgaben hilft, den Fokus auf die Fertigstellung bestehender Arbeitspakete zu legen, bevor neue Aufgaben übernommen werden.
  5. Unterstützung und Schulung: Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, Unterstützung und Schulung in Anspruch zu nehmen, um Unsicherheiten und Wissenslücken zu schließen.

Fazit

Das 90%-Syndrom ist ein verbreitetes Phänomen im Projektmanagement und dem Projektcontrolling, das durch verschiedene psychologische und organisatorische Faktoren verursacht wird. Mit klaren Strategien und einer unterstützenden Teamkultur können Projektleiter und Teams dieses Problem überwinden und so den Projekterfolg sichern. Die letzten 10 % eines Arbeitspakets sind oft die schwierigsten, aber auch die entscheidendsten – sie verdienen daher besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung.

Trainerin Bettina Schürhoff

Zur Autorin

Bettina Schürhoff ist Trainerin und Beraterin im Projektmanagement bei der ibo Akademie. Neben fachlicher Kompetenz vermittelt sie in ihren Seminaren auch ein Gespür für die Besonderheiten der Projektarbeit.


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Persönliches und Seminare von Bettina Schürhoff

FAQ

Was versteht man unter dem 90%-Syndrom?

Das 90%-Syndrom beschreibt die Tendenz von Projektmitarbeitern, Aufgaben als „fast abgeschlossen“ zu bewerten, obwohl sie bereits fertig sind oder nur noch ein letzter kleiner Schritt fehlt. Dies führt zu Verzögerungen und beeinträchtigt die Qualität und Effizienz des Projekts.

Welche Ursachen hat das 90%-Syndrom?

Die häufigsten Gründe sind Perfektionismus, Unsicherheit, Angst vor Kritik und mangelnde Prioritätensetzung. Der Abschluss der Aufgabe als „100% fertig“ ist ein oft schwieriger Schritt, da sich damit diese dem Einflussbereich des Mitarbeitenden entzieht.

Wie kann man das 90%-Syndrom überwinden?

Klare Definitionen von „abgeschlossen“, regelmäßige Reviews, eine positive Feedbackkultur und gezieltes Prioritätenmanagement helfen, das 90%-Syndrom zu vermeiden und Projekte termingerecht abzuschließen.

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