Die Lernfähigkeit ist ein wichtiger Faktor, um die Basis für eine Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Damit man lernfähig bleiben kann, wird ein wirkungsvolles Schnittstellenmanagement benötigt. Aber welche Rahmenbedingungen braucht es, um Prozesse stetig weiterentwickeln und verbessern zu können? Wir zeigen Ihnen, warum Sie auch die Schnittstellenkompetenz im Prozessmanagement Ihrer Organisation fördern sollten.
„Wenn ein Prozess reibungslos läuft, fragt selten jemand, warum. Wenn er stockt, wird schnell klar, wem alle Fäden in der Hand fehlen: der oder dem Prozessverantwortlichen.“
Prozessverantwortliche stehen im Zentrum – und doch selten im Rampenlicht. Sie führen ohne Weisungsbefugnis, koordinieren ohne Hierarchie und sind genau dort erfolgreich, wo klassische Linienstrukturen an ihre Grenzen stoßen, in der Verwaltung oft noch mehr als in der Wirtschaft.
Die Brückenbauer zwischen den Welten
Sie sind Brückenbauer, Übersetzer und Lernarchitekten zugleich. Und sie tragen entscheidend dazu bei, dass Organisationen beweglich, vernetzt und lernfähig bleiben.
Womit beschäftigt sich das Schnittstellenmanagement?
Prozessverantwortliche sind die Übersetzer zwischen Strategie, Fachbereich, IT und Controlling. Sie sorgen dafür, dass Ziele nicht auf dem Weg von der Strategie in die Praxis verloren gehen und dass Rückmeldungen aus dem Alltag wieder den Weg zurück ins Management finden.

Sie verbinden Denklogiken, die sich sonst häufig reiben:
- das Management denkt in Zielen und Ergebnissen,
- Fachbereiche in Aufgaben und Kundennähe,
- IT in Systemen, Daten und Schnittstellen.
Diese Schnittstellenkompetenz ist das Herzstück moderner Prozessarbeit. Wer hier vermitteln kann, sorgt nicht nur für funktionierende Abläufe, sondern auch für Verständnis, Vertrauen und Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg.
Die Rolle, die oft unterschätzt wird

In der Praxis sind Prozessverantwortliche häufig „ohne Macht, aber mit Verantwortung“. Sie müssen Ziele koordinieren, Konflikte moderieren, Prioritäten ausgleichen – und das alles, ohne selbst disziplinarisch führen zu dürfen. Ihre Führungsrolle ist lateral:
- Sie fördern Kooperation, wo unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen.
- Sie überzeugen, wo andere anweisen.
- Sie schaffen Vertrauen, wo Hierarchie endet.
Geteilte Verantwortung – gemeinsame Prozessleistung
Ein häufiger Irrtum besteht darin, Prozessverantwortlichen die alleinige Verantwortung für eine Prozessleistung zuzuschreiben. Tatsächlich liegt die Verantwortung für den Prozesserfolg immer bei allen Führungskräften der beteiligten Bereiche. Die Aufgabe der oder des Prozessverantwortlichen ist es, im Auftrag dieser mitverantwortlichen Führungskräfte die gemeinsame Prozessleistung zu koordinieren und zu sichern.
Er oder sie sorgt dafür, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein abgestimmtes Verständnis über Ziele, Rollen und Kennzahlen besteht und dass Entscheidungen nicht isoliert, sondern im Sinne des Gesamtprozesses getroffen werden.
Damit wird deutlich: Prozessverantwortliche „besitzen“ den Prozess nicht – sie moderieren kollektive Verantwortung. Sie schaffen Klarheit, wo Verantwortungsbereiche aufeinandertreffen, und ermöglichen Führungskräften, ihren Beitrag zur Gesamtleistung bewusst wahrzunehmen.
Oder anders gesagt: Prozessverantwortliche koordinieren, was gemeinsam geführt werden muss und führen, wo Verantwortung geteilt wird.
Führungskompetenzen – was Prozessverantwortliche wirklich brauchen
Erfolgreiche Prozessverantwortliche sollten daher vier Kompetenzdimensionen verbinden:
- Fachlich-methodisch: inhaltliches Prozessverständnis, Kennzahlensteuerung, KVP-Methodik, Lean- und Qualitätsverständnis
- Kommunikativ: Moderation, Storytelling, Konfliktlösung, Präsentation komplexer Sachverhalte.
- Sozial-emotional: Empathie, Integrationsfähigkeit, Vertrauensaufbau, Perspektivwechsel.
- Systemisch: Verständnis für komplexe Strukturen, Kultur, Governance und Veränderungsdynamik der eigenen Organisation.
Diese Mischung macht sie zu echten Führungskräften ohne Titel – oder, wie ein Teilnehmer in einem unserer Seminare einmal sagte:
„Wir sind die Dirigenten eines Orchesters, das aus lauter Solisten besteht.“
Leider wird häufig unterschätzt, wie wichtig diese Rolle in der eigenen Organisation ist, um zu Erfolg zu gelangen. In zahlreichen Unternehmen fehlen trotzdem die Rahmenbedingungen, um diese Rolle wirksam werden zu lassen.
Lernen an den Schnittstellen – wo Prozesse zur Lernarchitektur werden
Wo verschiedene Perspektiven aufeinandertreffen, entsteht Reibung – und aus Reibung entsteht Lernen. Jede Prozessanalyse, jeder KVP-Workshop, jedes Abweichungsgespräch ist letztlich eine Gelegenheit zum Lernen:
- Was lernen wir daraus für die Zukunft?
- Was hat funktioniert?
- Wo traten Probleme auf?

Prozessverantwortliche moderieren genau diese Lernprozesse. Sie initiieren Feedbackschleifen, fördern Reflexion und tragen Verbesserungen systematisch in die Organisation. Ihr Beitrag ist kein Randthema, sondern zentral für organisationales Lernen. Denn sie halten die Organisation lernend, indem sie Veränderung als Dauerzustand begreifen – und Lernen als Prozesskompetenz.
Wie es früher war – Prozessverantwortliche als Kompetenzarbeiter
Traditionell wurden Prozesse vor allem gesteuert, kontrolliert und dokumentiert. Dieses Verständnis von Prozessmanagement herrscht immer noch in vielen Organisationen vor.
Doch heute geht es darum, die Prozesse weiterzuentwickeln und anpassungsfähig zu halten. Prozessverantwortliche agieren als Impulsgeber:
- Sie übersetzen Daten in Erkenntnisse und Erkenntnisse in Handeln.
- Sie initiieren Verbesserungen nicht aus Pflicht, sondern aus Lernfreude.
- Sie denken in Wirkungsketten statt in Zuständigkeiten.
Damit wird eine Kultur geprägt, in der Prozesse nicht starr, sondern lebendig sind. Prozessmanagement heißt heute: gestalten, lernen, verändern. Prozessverantwortliche machen daraus gelebte Entwicklung.
Rahmenbedingungen – was die Rolle braucht
Damit diese Wirkung entstehen kann, braucht es Struktur und Rückhalt in der Organisation:
- Ein Prozessboard oder Lenkungskreis, der Prozessverantwortung strategisch verankert und Prozessverantwortliche aktiv unterstützt.
- Eskalationsroutinen, um Konflikte zwischen Linie und Prozessrolle lösbar zu machen.
- Regelmäßige Reviews, in denen Prozesskennzahlen mit Lern- und Entwicklungszielen verknüpft werden.
- Kompetenzprogramme, die neben Methodik auch Kommunikation und Change befähigen.
Organisationen, die diese Strukturen schaffen, erleben Prozessverantwortliche als das, was sie sein können: Schlüsselrollen für Zusammenarbeit, Qualität und Weiterentwicklung.
Fazit – die unterschätzte Schlüsselrolle der Zukunft
Prozessverantwortliche sind keine Methodenträger, sondern Kulturträger. Sie verkörpern das, was Organisationen in einer vernetzten, dynamischen Welt brauchen: Menschen, die zuhören, vermitteln, übersetzen, lernen – und dadurch Veränderung möglich machen. Schon Aristoteles wusste: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
Wer Organisationen zukunftsfähig gestalten will, sollte mehr auf diejenigen hören, die an den Schnittstellen sitzen. Denn sie wissen, wo Zusammenarbeit gelingt – und wo sie neu gelernt werden muss.
Abschließend möchten wir Ihnen drei Impulse für Ihre Organisation mitgeben:
- Beschreibung Sie die Rolle des Prozessverantwortlichen klar und wertschätzend und machen diese sichtbar – sie sind mehr als „Kümmerer“.
- Fördern Sie Vernetzung: Unterstützen Sie Prozessverantwortliche darin, voneinander zu lernen – durch Communities, Erfahrungsaustausch oder gemeinsame Lernformate.
- Begreifen Sie Prozessmanagement nicht als Dokumentation, sondern als kontinuierlichen Lernprozess. Nur wer Prozesse reflektiert, kann sie verbessern.
In unseren Weiterbildungen erlenen Sie genau die Fähigkeiten und Kenntnisse, um Prozesse zu gestalten, zu optimieren oder auch zu digitalisieren. Schauen Sie sich das Portfolio der ibo Weiterbildungen für Prozessmanagement an.
Zum Autor:

Wie sieht das Schnittstellenmanagement bei Ihnen aus? Schreiben Sie gerne einen Kommentar oder besuchen Sie mich in einem meiner Seminare!
Christian Kretschmer
Prozessmanagement Trainer und Berater
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