Innovations- und Veränderungsfähigkeit gelten als Treiber für Wettbewerbsstärke, Resilienz und Zukunftsfähigkeit. Doch während Strategiepapiere und Keynotes diesen Anspruch lautstark postulieren, bleiben konkrete Umsetzungsschritte in der Organisation oft diffus. Damit das Neue bzw. Innovation aber kein Zufall bleibt, braucht es Routinen, Rollen und Räume, um eine Ideenkultur zu leben, die strukturell getragen wird. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, warum Struktur und Kultur gemeinsam gedacht und gestaltet werden müssen, und wie Organisationen wirklich innovations- und veränderungsfähig werden können.
Warum Innovationsfähigkeit kein Zufall ist und was Du strukturell und kulturell dafür tun kannst.
Zwei Handlungsfelder stehen dabei im Zentrum: die Organisationsstruktur und die Organisationskultur. Diese Handlungsfelder lassen sich zwar analytisch durchaus separat betrachten – in der Praxis sind sie jedoch untrennbar miteinander verbunden und stehen in permanenter Wechselwirkung. Das wird uns in der Praxis zum Beispiel daran bewusst, dass es nicht ausreicht, neues Führungsverhalten zu fordern oder Selbstverantwortung zu fördern, wenn die Orientierung in den bestehenden Strukturen nicht vorhanden ist und die Identifikation mit diesen fehlt. Ebenso können auch die vermeintlich besten Strukturen keine Innovationen hervorbringen, wenn es an Eigenverantwortung und einer Ideenkultur mangelt. Oft liegt das daran, dass entweder die notwendigen strukturellen Rahmenbedingungen fehlen, also Verantwortlichkeiten, Prozesse und Ressourcen nicht vorhanden sind, bzw. die Ideen-/ Innovations-Kultur unterbelichtet ist, also die Summe aller Interaktionen innerhalb eines Systems, die Fehler tolerieren, Konflikte bearbeiten und Unternehmertum fördern.
Die gute Nachricht: Beides lässt sich gestalten – und gerade im Zusammenspiel entfalten sie ihr Potenzial. Kultur ist Struktur und Struktur ist Kultur, kurz: KulturStruktur!

Innovationskraft ist gestaltbar – aber nur im Zusammenhang
Viele Organisationen investieren massiv in Ideenmanagement, Design Labs und agile Methoden – und bleiben dennoch hinter ihren Erwartungen zurück. Warum ist das so? Ein Grund liegt in der Angst, bestehende Strukturen und Kulturen grundsätzlich in Frage zu stellen – lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach! Für die Kultivierung nachhaltiger Kreativität und Experimentierfreude braucht es Routinen, Räume und Rollen, in denen sich das Veränderungspotenzial entfalten kann.
Innovationskraft ist kein Glück, keine Genialität, kein Zufallsprodukt. Sie ist das Ergebnis eines bewusst orchestrierten Zusammenspiels zwischen Strukturkompetenz, Kulturbewusstsein und methodischem Know-how.
Organisationen, die das verstanden haben, entwickeln sich vom denkenden System zum lernenden System – und können sich in komplexen Umwelten behaupten.
Merke:
Struktur ohne Kultur bleibt stumm.
Kultur ohne Struktur bleibt ziellos.
Innovation entsteht, wenn beides in Bewegung kommt.
Viele Organisationsentwickler:innen arbeiten häufig in unterschiedlichen Rollen sowohl an der Aufbauorganisation und sind über Change-Management-Vorhaben in die Kulturentwicklung involviert. Sie definieren Aufgaben und erstellen Funktionsbeschreibungen, ermitteln Leitungsspannen und nehmen Stellenbewertungen vor. Sie führen Kulturdiagnosen durch und flankieren Veränderungsvorhaben mit kleineren Impulsen und umfangreicheren Kulturinitiativen.
In Bezug auf die Innovationsstärke einer Organisation steht die Ideenkultur im Mittelpunkt. In ihrer Ausprägung lässt sich das kreative Potenzial und die Innovationskraft einer Organisation beurteilen.
Ideenkultur entwickeln
Häufig sind Ideenkulturen gekennzeichnet durch
- flachen Hierarchien,
- hohe Flexibilität und offene, kommunikative Arbeitsumgebungen,
- ideengetriebene Initiativen und Mut zur Veränderung,
- Förderung von Kreativität und eine hohe Experimentierfreude,
- dynamische Abläufe und adaptive, anpassungsfähige Prozessstrukturen.
Kultur ist oft ein unsichtbarer Faktor. Eine gezielte Analyse hilft zu erkennen, welche Kulturdimensionen gerade dominieren, welche Werte wirklich gelebt werden und wo Potenziale oder Reibungspunkte liegen. Somit hilft eine Kulturdiagnose Stärken und Schwächen zu erkennen und Veränderungen gezielt anzugehen.
Check:
Wie ausgeprägt ist die Ideenkultur in Deiner Organisation tatsächlich?
Lade Dir die Vorlage für die Durchführung einer Kulturdiagnose herunter!
Download PDF
Der Erfolg solcher Initiativen und Maßnahmen zeigt sich letztlich in der Interaktionsqualität der beteiligten Menschen, die sich durch die Kopplung von Routinen, Rollen sowie (Begegnungs-)Räumen u.a. in zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Dimension. Interaktion ist der entscheidende Kopplungsmechanismus.
Interaktionen übersetzen kulturelle Haltungen in strukturelle Handlungen. Im Idealfall stehen beide Handlungsfelder, die Organisationsstruktur und die Organisationskultur in einer komplementären Beziehung – sie fördern sich wechselseitig, es entsteht eine innovative KulturStruktur!
Der Blick hinter die Organigrammkulissen – wie radikale Innovation entsteht
Organisationsstrukturen leben durch Interaktion, nicht durch Linien und Kästchen. Klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten durch formale Innovationsrollen und deren Verankerung in der Organisationsstruktur geben Orientierung, damit Ideen in Entscheidungen münden und umgekehrt. Zwei aufbauorganisatorische Strukturmodelle sind aktuell vorherrschend. Der sogenannte Struktur-Typ A (strukturelle Ambidextrie) und der Struktur-Typ B (die kontextuelle Ambidextrie). Beiden Strukturen sind unterschiedlich innovativ und beide haben Herausforderungen. Die untere Abbildung stellt holzschnittartig die beiden Struktur-Typen gegenüber, wobei der Struktur-Typ A eine eindeutige Tendenz für radikale Innovation aufzeigt, wie das Beispiel Google X weiter unten noch belegen wird.

Organigramme zeigen, wer wo arbeitet – geben aber keine Auskunft über die Interaktionsqualität und darüber, wie zusammengearbeitet wird. Struktur und Kultur manifestieren sich im Begegnungsraum – in virtuellen und physischen, synchronen und asynchronen Interaktionsräumen, in denen strategische Ziele mit operativer Realität regelmäßig bewusst und unbewusst abgeglichen und verhandelt werden. Radikale Innovationen entstehen selten innerhalb einer einzelnen organisatorischen Ebene oder Einheit – sie entwickeln sich emergent über mehrere Ebenen hinweg.
Dazu benötigen sie das Zusammenspiel zwischen
- Strategischer Öffnung für neue Ideen (Ansätze wie Design und Moonshot Thinking können hierzu ein Türöffner sein)
- Taktischer Integration in mittelfristige Planungen (Objectives & Key Results, Big Room Planning-Formate, Obeya-Konzepte ermöglichen ebenübergreifende Abstimmung)
- Operativen Iterationen durch getaktete Sprintzyklen (z.B. durch Scrum-Sprints oder Tacticals).
Ein Blick hinter die Organigrammkulisse richtet den Blick auf die Interaktion zwischen Raum, Routine und Rolle. Innovationstreiber sollten in der Organisation nicht nur „oben“ oder „unten“ angesiedelt sein, sondern als verbindende Rolle zwischen Ebenen agieren. Funktionen bzw. Rollen wie z. B. Innovationsmanager oder Portfolio / Product Lead sind dann nicht nur Entscheider mit Budgethoheit im aufbauorganisatorischen Sinne, sondern auch Vermittler und Interaktions- bzw. Sparringspartner.
Ideen-Coaches, Facilitator, Objective bzw. Innovation Owner und Innovation Buddies sind meist nicht direkt im Organigramm sichtbar (zumindest nicht im Struktur-Typ B), jedoch enorm wichtige Rollen, damit eine Organisation in Bewegung bleibt und sich das innovative Potenzial entfaltet. Schließlich geht es um die Erfindung und Entwicklung neuer Verfahren, Lösungen und Produkte, die tatsächlich erfolgreich Anwendung finden und den Markt durchdringen.

Unabhängig von den Struktur-Typen A und B zeigt die Abbildung beispielhaft die Ebenen & (Begegnungs-)Räume in zeitlicher und inhaltlicher Dimension, Routinen & Praktiken, Rollen & Funktionen, so wie sie in der Praxis mehr oder weniger konsequent zum Einsatz kommen. Dabei spielen die Methoden und Tools lose gekoppelt zusammen, wie in der Abbildung die rot markierten Routinen und Praktiken verdeutlichen.
Beispiel
Moonshot-Ideen lassen sich in Moals überführen, die dann in einem OKR-Prozess in Objectives und Key Results heruntergebrochen werden können. Key Results könnten sich entweder in Design Sprints konkretisieren oder mit Scrum Sprints erreicht werden. In wöchentlichen Tacticals, auf Scrumban-Boards und in Dailies synchronisieren sich die Beteiligten, machen den Fortschritt transparent und stellen so den Arbeitsfluss sicher. Einmal im Jahr oder unterjährig bieten sich übergreifende Retrospektiven an, um Erfahrungen zu teilen und das System weiterzuentwickeln.
Die oben skizzierten Räume, Routinen und Rollen sind mehr als Strukturgeber – sie sind kulturelle Artefakte. In ihrem Zusammenspiel zeigt sich, wie konsequent eine Organisation bereit ist, offene Kommunikation, Crossfunktionalität, echte Partizipation und Innovationsfreude zuzulassen.
Daher ist der Innovationsgrad einer Organisation nicht allein an ihrem Organigramm abzulesen, sondern daran, welche Begegnungen stattfinden, wie oft, mit wem und mit welchem Zweck. Im Idealfall entsteht eine gelebte Ideenkultur, die durch den strukturellen Rahmen getragen und geleitet wird.
Für Dich als Organisationsentwickler:in heißt das
- Verstehe die Struktur nicht nur als Aufbau, sondern als erlebbare Interaktion zwischen Raum, Routine und Rolle.
- Biete und nutze Methoden und Praktiken nicht einzeln, sondern im Orchester – abgestimmt auf und über Ebenen und Verantwortlichkeiten.
- Mache die Ideenkultur sichtbar und gestaltbar – durch Kulturdiagnosen und -initiativen.
Ein radikales Beispiel für radikale Innovation – Google X – X The Moonshot Factory
Der Vergleich zwischen den oben hergeleiteten Erkenntnissen und X – The Moonshot Factory passt – nicht nur weil Google X für radikale Innovation steht, sondern weil sich daran deutlich machen lässt, was passiert, wenn eine Organisation Innovationsfähigkeit kompromisslos strukturell und kulturell verstetigt.
Ich möchte dies an 3 Perspektiven und Beispielen verdeutlichen.
Beispiele
1. Kulturell verankerte Innovationsprinzipien (Ideenkultur)
Google X setzt auf einen expliziten Werte- und Prinzipienrahmen:
- Fehlerkultur („We celebrate killing our own ideas early”)
- Neugier & Mut („The most radical ideas start with the most naive questions”)
- Nutzerzentrierung („Fall in love with the problem, not the solution”)
2. Strukturell getrennte Innovationsarchitektur (Organisationsstruktur)
Google X folgt dem Prinzip der strukturellen Ambidextrie:
- Google X ist bewusst außerhalb der Alphabet-Linie organisiert
- Die Projekte sind organisatorisch autonom, aber über klare Transfermechanismen mit Alphabet verbunden
- Die Teams sind klein, interdisziplinär, „verrückt denkend“, aber wirtschaftlich diszipliniert (Kill early Prinzip, OKRs, Go-to-Market-Prozesse)
3. Räume und Routinen für methodische Taktung (Interaktionsformate)
Auch bei Google X arbeiten Teams in klaren methodischen Zyklen:
- Rapid Prototyping-Zyklen in Wochen, nicht Monaten
- Crossfunktionale Sprints (in Anlehnung an Design Thinking)
- Kill Criteria: Strukturierte Zeitpunkte zur Beurteilung von Weiterverfolgung oder Beendigung eines Vorhabens
Auch hier zeigt sich: Räume, Routinen und Rollen sind mehr als nur Strukturelemente – sie sind kulturelle Ausdrucksformen, die Interaktion und damit Struktur- und Kulturentwicklung ermöglichen.
Fazit: Organisation für Innovation braucht eine tragfähige Kulturstruktur
Innovationsfähigkeit ist kein Zufallsprodukt – sie ist das Resultat aus bewusst gestalteter Struktur, gelebter Kultur und gezielter Interaktion. Wer in seiner Organisation radikale Innovation ermöglichen möchte, darf Struktur und Kultur nicht isoliert betrachten. Es ist das Zusammenspiel beider Ebenen – ergänzt durch Räume, Routinen und Rollen –, das echtes Innovationspotenzial freisetzt.
Organisationen wie Google X demonstrieren, was passiert, wenn Kultur und Struktur auf radikale Innovation ausgerichtet sind: Fehler werden begrüßt, Neugier belohnt, Prozesse sind klar, aber flexibel. Diese Prinzipien lassen sich auch auf andere Organisationen übertragen – mit der richtigen Haltung, einem klaren Architekturkonzept und dem Mut, Neues wirklich zuzulassen.
Die Zukunftsfähigkeit einer Organisation entscheidet sich nicht im Organigramm – sondern in der Qualität ihrer Interaktionen. Genau dort entsteht sie: die innovative KulturStruktur.
Innovations- und Veränderungskultur – so kannst Du beginnen!

Wie Du Dich, Dein Team und Deine Organisation auf das nächste Level bringst und eine echte Innovations- und Veränderungsstruktur kultivierst, das erfährst Du in unseren Lernreisen
-> Experte für agile Organisation mit ibo-Zertifikat | ibo Akademie
-> New Leadership mit ibo-Zertifikat | ibo Akademie
Sprich mich gerne an!
Christian Konz
christian.konz@ibo.de