Führungskräfte und Personalverantwortliche bestätigen, dass Weiterbildung in die Eigenverantwortung und damit in die Hände der Lernenden gehört. Aus: „Was sollst oder musst Du lernen!“ wird die Frage: „Was und wie will ich lernen!“. Was dazu nötig ist: Selbstreflexion und Selbstführung. Erste Schritte in die Umsetzung findest Du in diesem Blog-Beitrag.
Fakt ist: wir sind alle inkompetent! Kein Mensch kann und weiß alles! Klingt selbstverständlich oder? Trotzdem scheint es oft so schwer, offen und ehrlich zuzugeben: „Ich weiß es nicht!“ Trotzdem erliegt man oft der Versuchung (vor)schnell zu liefern, will helfen und hat vermeintliche Lösungen parat, die es nur noch schlimmer machen. Typische Anzeichen für das Helfersyndrom, aber nicht nur. Denn hinter diesen Reaktionen stecken Verhaltensmuster, die zutiefst menschlich sind. Diese Spirale der Subjektivierung, ein Wahrnehmungsprozess, der die offensichtlichen Eigenschaften eines Sachverhalts durch die subjektive Wahrnehmung einer Person verzerrt, führt dazu, dass Menschen dazu tendieren, die eigene Sichtweise zu bestätigen, sodass selbstzufrieden konstatiert werden kann: So muss es sein – so ist es! Man deutet das Wahrgenommene in Millisekunden unbewusst um, und sofort passt, was eigentlich nicht zusammenpasst.
Wahrnehmungsfilter erkennen
Dieses Verhalten führt häufig zu Selbstbestätigungsfehlern (engl. Confirmation Bias). Damit wird die Neigung bezeichnet, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen (bestätigen). Dass sich diese kognitive Verzerrung häufig durchsetzt liegt u.a. daran, dass dieses Verhalten eine geringere Energieleistung unseres Gehirns erfordert, als die Auseinandersetzung mit den eigenen kognitiven und körperlichen Dissonanzen. Der Mensch spart sozusagen Energie und reduziert Stress, was wiederum das Beharrungsvermögen fördert und zum Verweilen in der vermeintlichen ‚Komfortzone‘ einlädt.
Völlig menschlich also! Bedenklich wird es jedoch, wenn sich dieser ‚Wahrnehmungsfilter‘ so stark verfestigt und undurchsichtig wird, dass die Scheuklappen immer größer werden und die Perspektive einschränkt. Denn das hat negative Auswirkungen – die sich nicht nur auf die persönliche Entwicklung und Entwicklungsfähigkeit beschränkt, sondern ganze Unternehmen oder Konzerne betreffen kann, wie das folgende Beispiel aus der Automobilbranche zeigt. Die Nähe und der Hang zur Selbstüberschätzung (Hybris) und des damit einhergehenden Realitätsverlusts, seien hier nur am Rande erwähnt.
Die deutschen Automobilhersteller haben die Konkurrenz um Tesla und den rasanten Wandel von analog auf digital lange Zeit nicht richtig ernst genommen. Sie waren auf die steigende Komplexität nicht vorbereitet und verharrten zu lange in ihren bewährten Strukturen und standardisierten Prozessen, was das Entfaltungspotenzial im Denken und Handeln der Organisationsmitglieder zunehmend einschränkte. Der Wechsel hin zu agile(re)n Ansätzen ging nur langsam vonstatten. Aktuell wird Tesla noch ein technologischer Vorsprung von vier bis fünf Jahren gegenüber den deutschen Autobauern zugesprochen. Ob die deutsche Autoindustrie ein ähnliches Schicksal ereilt wie die einst so stolzen Kamera- und TV-Hersteller, wird sich wohl in den nächsten Jahren zeigen (Aus dem Buch: Agile Organisation).
40% der Berufsbilder 2030 gibt es heute noch nicht – auf ins Abenteuer!
Vor kurzem habe ich mit Interesse einem Zukunftsforscher und Arbeitsmarktexperten zugehört, der sagte, dass 40% der Berufsbilder, die es 2030 geben wird, heute noch nicht existieren. Bis dahin sind es nur noch neun Jahre! Der Umgang mit dieser Dynamik und der damit einhergehenden Unsicherheit und Instabilität rückt die persönliche Entwicklungsfähigkeit und den Anspruch des Lebenslangen Lernens in den Mittelpunkt! Unternehmer*innen, Führungskräfte und Personalentwickler*innen erkennen diese Notwendigkeit immer mehr an und setzen diese Punkte auf ihre Agenda! Aktuelle Umfragen untermauern diesen Trend. Der Großteil von Führungskräften und Personalverantwortlichen bestätigt, dass zukünftige Weiterbildung immer mehr in die Eigenverantwortung und damit in die Hände derjenigen gehört, die sich entwickeln und weiterbilden wollen. Aus: „Was sollst oder musst Du lernen!“ wird die Frage: „Was und wie will ich lernen?“.
Diese Umkehrung des klassischen Organisationsverständnisses, das top down geprägt war und in vielen Fällen immer noch ist, hin zu einem auf das Individuum zentrierten Ansatz getreu dem Motto: „Die Veränderung beginnt bei mir!“ ist weder leicht, noch lässt sie sich über Nacht umsetzen.
Raus aus der Selbstbestätigungsschleife – wie Du Deinen blinden Fleck erkennst
Wie kann Perspektivenvielfalt und Perspektivwechsel gefördert und damit der weiter oben beschriebene ‚Wahrnehmungsfilter‘ geöffnet werden? Wo kann man ansetzen? Am besten bei mir bzw. Dir selbst! Mache Dir Deine unbewusste Inkompetenz bewusst! Wie Du das schaffst? Indem Du zunächst akzeptierst, dass nur die permanente eigene Veränderung die Basis für Selbstorganisation, Personal- und Organisationsentwicklung ist! Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist dafür eine wesentliche Voraussetzung, sie fördert die psychologische Sicherheit in „unsicheren Kontexten“. Diese Reflexionsfähigkeit ist gleichzusetzen mit der Aktivierung einer „beobachtenden Instanz“, die neue Perspektiven und Sichtweisen zulässt und neue, kreative Optionen im Sinne eines bewusst anderen Denkens und Handelns ermöglicht.
Für jeden einzelnen – Führungskräfte, Personalverantwortliche und -entwickler eingeschlossen – bedeutet diese Entwicklung, eine Haltung einzuüben, die darauf abzielt
- offen zu sein gegenüber anderen bzw. neuen Perspektiven und alternativen Wahrheiten
- bereit zu sein, über bestehende Regeln hinauszudenken
- ein positives Menschenbild und ein respektvolles Verhältnis zu anderen Menschen aufzubauen
- weg von Kontrolle und Kontrollansätzen hin zu einem Sich-darauf-Einlassen zu wechseln
- Selberdenken und Mithandeln jedes Einzelnen zu fördern und zu fordern
- einen Orientierungsrahmen mitzugestalten, um Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit zu ermöglichen und zu stärken
Ein entspanntes Verhältnis zu Autorität und die Bereitschaft Dinge zu hinterfragen, egal von wem sie kommen, können ebenfalls nicht schaden!