Wo arbeite ich als Business-Analyst am besten: in der IT-Abteilung, im Fachbereich oder anderweitig? Diese Frage begegnet mir immer wieder. Ich finde es spannend zu erfahren, wie und wo Unternehmen Business-Analysten „einsortieren“, und welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben.
Anhand einiger Fragen wollen wir uns dem Thema nähern und natürlich auch Antworten geben.
Wie sieht der Fachbereich die Rolle der Business-Analysten?
Wenn Business-Analysten in der IT-Abteilung angesiedelt sind, ordnen sie die Fachbereichskollegen (natürlich) schnell als ITler ein. Business-Analysten gelten dann als Experten, was IT-Lösungen anbelangt. Allerdings werden ihnen Kenntnisse in den Nicht-IT-Themen (z.B. organisatorische Änderungen, Verbesserungen von Geschäftsprozessen, kulturelles Veränderungsmanagement) weniger zugetraut. Möglicherweise werden sie auf „technisches Requirements Engineering“ reduziert.
Business-Analysten in Fachbereichen hingegen werden fachliche Kenntnisse zugetraut, ergänzt um IT-Kenntnisse.
Zwischenstand 0:1 für Business Analysten im Fachbereich.
Wie wird das Verhältnis zur IT empfunden?
Business-Analysten in der IT-Abteilung haben einen besseren und schnelleren Zugang zu den IT-Mitarbeitern. Dies hilft bei der Entwicklung von konkreten technischen Lösungen weiter. (Nach der fachlichen Frage, was durch IT-Lösungen verbessert werden soll, wird technisch geklärt, wie es geändert werden soll.)
Business-Analysten im Fachbereich werden von der IT möglicherweise nicht als gleichwertige Gesprächspartner akzeptiert. Aus IT-Sicht handelt es sich um weitere Stakeholder neben den anderen Stakeholdern des Fachbereichs. Eventuell setzt der IT-Bereich eigene IT-Business-Analysten ein, um die Ergebnisse der Fachbereichs-Business-Analysten auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Zwischenstand 1:1.
Wie werden Business-Analysten am Anfang eines Projektes oder Vorhabens eingesetzt und wahrgenommen?
Business-Analysten der IT werden möglicherweise zunächst nicht einbezogen, wenn das Projekt oder die Veränderung noch am Anfang steht; besonders wenn der IT-Anteil als gering angesehen wird oder die technische Umsetzung erst spät(er) im Projekt erfolgt.
Business-Analysten im Fachbereich unterstützen eher bei der Frage, die im Vorfeld geklärt werden sollte: Ist die geplante Veränderung/Verbesserung tatsächlich sinnvoll? (indem zum Beispiel ein Business Case erstellt wird). Sie ermitteln die grundlegenden Anforderungen des Unternehmens und der Stakeholder, welcher Veränderungsbedarf besteht.
Zwischenstand 1:2 für Business-Analysten im Fachbereich.
Wie werden die Arbeitsergebnisse weiter benutzt?
IT-Business-Analysten kennen genau die Bedürfnisse der IT und richten ihre Arbeitsergebnisse (z.B. Anforderungsdokumente) darauf aus.
Business-Analysten des Fachbereichs können die Anforderungen fachlich gut beschreiben; aber möglicherweise nicht in dem Format, das die IT sich wünscht. Die Gefahr besteht, dass die IT die Arbeitsergebnisse auf eigene Bedürfnisse anpasst und dadurch Mehrarbeit entsteht.
Zwischenstand 2:2.
Wie genau kennen Business-Analysten die Möglichkeiten, die technische bzw. technologische Lösungen bieten?
Business-Analysten in der IT sitzen am „Puls der Zeit“. Sie können gut einschätzen, was neue technische Entwicklungen an Möglichkeiten bieten.
Business-Analysten in Fachbereichen sind weniger aktuell informiert und haben in der Regel auch nicht so detaillierte Kenntnisse.
Zwischenstand 3:2 für Business-Analysten in der IT.
Wie genau kennen Business-Analysten die Probleme, die gelöst werden sollen, bzw. die Chancen zur Verbesserung, die ergriffen werden sollen?
Business-Analysten der IT haben häufig zu viel Distanz zu den Problemen des Fachbereichs, als dass sie diese detailliert verstehen könnten. Möglicherweise werden sie auch erst dann hinzugezogen, wenn der Fachbereich bereits eine Lösungsidee hat. Ob andere technische Lösungsmöglichkeiten auch sinnvoll oder vielleicht sogar sinnvoller sind, wird dann unter Umständen nicht mehr erörtert.
Business-Analysten des Fachbereichs kennen die Probleme und Chancen. Durch eine rechtzeitige Einbindung können sie zielgerichtet Anforderungen ermitteln und analysieren. Sie weisen auf zunächst möglichst lösungsneutrale Anforderungen hin. (Zuerst sollte die Frage nach dem Was gestellt werden; danach erst sollte es um die Umsetzung in IT gehen: Frage nach dem Wie).
Endstand 3:3.
Dieses Ergebnis ändert sich natürlich, wenn im jeweiligen Unternehmen die ein oder andere weitere Fragestellung zu beantworten ist, die das Pendel Richtung IT oder Fachbereich ausschlagen lässt.
Wenn die Fragestellungen gewichtet werden (welche Punkte sind wichtiger als andere), ergibt sich gegebenenfalls auch ein anderes Ergebnis.
Die beste Möglichkeit?!
Ein dritte Möglichkeit haben wir bisher nicht betrachtet: Business-Analysten in einer „neutralen“ Abteilung, die sowohl für IT als auch für den Fachbereich arbeitet. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht: ein gemischtes Team aus Business-Analysten, die zuvor im Fachbereich gearbeitet haben und „das Geschäft verstehen“ sowie ITlern, die nun als Business-Analysten agieren.
Fachbereich und IT erkennen ihre „eigenen Leute“ im Team und akzeptieren diese (erste und zweite Fragestellung). Business-Analysten werden rechtzeitig mit einbezogen und ihre Arbeitsergebnisse decken die Bedürfnisse des Fachbereichs und der IT ab (dritte und vierte Fragestellung). Einige der Business-Analysten wissen um die technischen Möglichkeiten, andere um die Probleme des Fachbereichs (fünfte und sechste Fragestellung).
Die oben angeführten Nachteile werden verringert und die Vorteile verknüpft, wenn Business-Analysten aus „beiden Welten“ idealerweise in einem Team vereint werden.
EDIT
Näher und aktueller beantworten wir Frage(n) rund um das Thema Business-Analyse in unseren Trainings. Mehr zum Nachlesen findet sich hier im Blog, im BA-Blog und in meinem Buch.
Beim „Zwischenstand 1:2“ erwähne ich das Kapitel Unternehmensanalyse des BABOK. Etwas mehr dazu unter https://blog.ibo.de/2012/03/16/englisch-oder-portugiesisch-deutsch-der-babok-ist-auf-deutsch-erschienen/