Automatisierung trifft Kontrolle: Raus aus dem Rückspiegel

Wie KI, Data Analytics und Automatisierung die Interne Revision verändern

Vergangenheit hinter uns lassen

Lange war die Interne Revision vor allem rückwärtsgewandt: Stichproben, zyklische Prüfungen und Analysen vergangener Daten dominierten den Alltag. Doch mit der Explosion von Datenmengen, der wachsenden Komplexität regulatorischer Anforderungen (z. B. DORA, ESG-Reporting, Lieferkettengesetz) und steigenden Erwartungen von Vorstand und Aufsichtsrat stößt dieses Modell an Grenzen. Der Aufwand für Dokumentation wächst, Zeit für tiefgehende Risikoanalysen schrumpft – kritische Ausreißer bleiben leicht unentdeckt.

KI als Beschleuniger und Qualitätsgarant

Künstliche Intelligenz, Data Analytics und Automatisierung schaffen hier den Durchbruch. Sie integrieren Daten aus ERP-, CRM- und Fileserver-Systemen, erkennen Muster und Auffälligkeiten und priorisieren risikobehaftete Transaktionen – alles nahezu in Echtzeit. Statt starrer Stichproben rücken vollständige Datenanalysen in den Fokus. Routine- und Compliance-Prüfungen können automatisiert werden, wodurch Revisionsteams Kapazität für strategische Fragestellungen und echte Wertschöpfung gewinnen.

Mensch-Technologie-Symbiose

Trotz Automatisierung bleibt der Mensch zentral: KI liefert Indikatoren, Muster und Warnsignale – die Interne Revision bewertet, interpretiert und leitet Handlungsempfehlungen ab. Dieses Zusammenspiel ermöglicht einen Paradigmenwechsel: weg von der reinen Vergangenheitsprüfung, hin zu proaktiver Risikosteuerung und kontinuierlichem Monitoring.

Vom Prüfer zum Partner

„Raus aus dem Rückspiegel“ bedeutet: Risiken frühzeitig erkennen, Prozesse laufend optimieren und Mehrwert stiften. Die Interne Revision entwickelt sich so vom nachgelagerten Kontrollorgan zum strategischen Partner der Unternehmensführung – und schafft den Spagat zwischen Effizienz, Qualität und Zukunftsfähigkeit.

Konkrete KI-Use Cases für die Interne Revision

Welche Bereiche können von Automatisierung und KI beeinflusst werden? Planung, Durchführung und Berichterstattung.
© Protiviti GmbH

Erfolg finden: Was Unternehmen jetzt tun sollten

1. Schritt: Grundlagen sichern – das Fundament legen

Bevor Unternehmen KI und Data Analytics in der Internen Revision einsetzen können, müssen sie zunächst ein stabiles Fundament schaffen. Dazu gehört, ein klares Zielbild zu entwickeln: Welche Mehrwerte sollen erzielt werden – mehr Effizienz, höhere Prüfungsqualität, proaktive Risikosteuerung? Auf dieser Basis entsteht eine Roadmap, die priorisiert, welche Prozesse und Prüfbereiche besonders geeignet sind. Parallel ist eine Dateninventur notwendig. Alle relevanten Quellen – wie ERP-, CRM-, Active-Directory- oder Fileserver-Systeme – müssen identifiziert, ihre Datenqualität bewertet und Fragen zu Zugriff, Datenschutz und Sicherheit geklärt werden. Ebenso entscheidend ist der Aufbau von Kompetenzen: Auditoren sollten ein Grundverständnis für Datenanalyse entwickeln, während spezialisierte Data-Analytics-Experten oder externe Partner technisches Know-how einbringen. Die enge Zusammenarbeit von Fach- und Technikseite ist der Schlüssel für spätere Erfolge.

2. Schritt: Gezielt starten – klein beginnen, groß denken

Sind Strategie und Basis gelegt, folgt die praktische Umsetzung. Unternehmen sollten zunächst mit Pilotprojekten starten, die schnelle Ergebnisse liefern – etwa Anomalieerkennungen bei Zahlungen, die Analyse von Zugriffsrechten oder automatisierte Kontrollen von Geschäftsprozessen. Diese „Quick Wins“ schaffen Vertrauen und Akzeptanz in der Organisation. Parallel gilt es, geeignete Technologien zu evaluieren: von Self-Service-Analytics-Tools bis zu KI-gestützten Continuous-Auditing-Lösungen. Wichtig ist, klein zu beginnen, Ergebnisse zu messen und daraus zu lernen. Erfolgreiche Ansätze lassen sich anschließend auf weitere Prüfbereiche ausweiten. Dabei sollten Governance, Methodik und Dokumentation von Beginn an mitgedacht werden, damit Lösungen reproduzierbar und revisionssicher bleiben.

3. Schritt: Strategisch verankern – Integration und kontinuierliche Verbesserung

Damit KI und Data Analytics langfristig Wirkung entfalten, müssen sie in die Arbeitsweise der Internen Revision integriert werden. Das bedeutet, Analysen und Automatisierungen in die jährliche Revisionsplanung, in die Vorbereitung von Prüfungen und in die Berichterstattung einzubetten. Wo früher punktuelle Stichproben üblich waren, können heute kontinuierliche Kontrollen und Frühwarnsysteme etabliert werden. Dabei bleibt der Mensch zentral: KI liefert Muster, Indikatoren und Warnsignale, während Auditoren die Ergebnisse bewerten, priorisieren und Handlungsempfehlungen ableiten. Um dieses Zusammenspiel zu optimieren, kann ein „Center of Excellence“ helfen, Wissen und Best Practices zu bündeln. Schließlich ist das Thema dynamisch – regulatorische Anforderungen wie DORA entwickeln sich, Technologien verändern sich. Deshalb sollten Unternehmen ihre Lösungen regelmäßig überprüfen, neue Use Cases identifizieren und den Dialog mit Fachbereichen und IT pflegen, um die Revisionsfunktion kontinuierlich weiterzuentwickeln.


Ausblick der Revision in der Zukunft:
KI-gestützte Agentensysteme entwickeln sich zu eigenständigen Akteuren innerhalb vernetzter Systeme. Evolutionäre Modelle wie AlphaEvolve zeigen bereits heute, wie Software lernt und sich anpasst. Langfristig eröffnen Ansätze der Allgemeinen Künstlichen Intelligenz (AGI) die Möglichkeit, menschenähnliche oder sogar darüber hinausgehende kognitive Fähigkeiten in vielfältigen Aufgabenbereichen zu entfalten. Die Zukunft der Revision wird zunehmend automatisiert, datengestützt und proaktiv sein – vorausgesetzt, Technik wird stets mit Urteilsvermögen, ethischem Bewusstsein und organisatorischer Reife verknüpft.
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Zum Autor

Nikolai König, Protiviti GmbH

Nikolai König
Associate Director, Protiviti GmbH

Protiviti ist eine globale Unternehmensberatung, die fundiertes Fachwissen, objektive Erkenntnisse, einen maßgeschneiderten Ansatz und einzigartige Zusammenarbeit bietet, damit Führungskräfte zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Die Beratungsleistungen umfassen kritische Geschäftsprobleme in den Bereichen Technologie, Business Operations, Analytics, Risiko, Compliance, Transaktionen und Interne Revision.

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