Die Hierarchie lebt wieder! Und macht vieles besser mit der Verbesserungs-KATA

Wie kann das sein? Zukunftsforscher erklären traditionelle Managementsysteme für tot. Innovativ können Unternehmen anscheinend besser sein, wenn sie ihre Abteilungen abschaffen und auf selbst-organisierte, agile, cross-funktionale Teams setzen. Das klingt herrlich, für die einen: neues Projekt, neues Glück… Aber neben allem Zweifel, ob dieser Stress auszuhalten wäre, fragt man sich: gibt es diese Branchen wirklich, in denen es kein Tagesgeschäft gibt, das sich lohnt, standardisiert zu werden? Ziemlich realitätsfern für Sie?

Dann ist es doch tröstlich zu erfahren, dass der Weltmarktführer Toyota durchaus auf Hierarchie setzt und viel in Routinen investiert! Der Organisationsforscher Mike Rother hat diese Routinen bei Toyota erforscht und seine Ergebnisse im Buch „Die KATA des Weltmarktführers – Toyotas Erfolgsmethoden“ veröffentlicht.

Das Wort KATA beschreibt im Kampfsport die wirkungsvollsten Techniken, die der Meister an die nächsten Generationen weitergibt und die diese täglich trainieren, damit sie in Fleisch und Blut übergehen. Es passt also hervorragend gerade auf organisationale Veränderungen. Denn hier müssen Menschen neues Verhalten lernen.  Das lernen sie aber weniger durch die Einsicht, dass dieses vernünftig und erfolgreich wäre, sondern vielmehr durch tägliches Tun. Diät-Erfahrene werden das bestätigen – Oder Eltern, die ihren Kindern das Zähneputzen beibringen möchten:-)

Was macht Toyota also so erfolgreich? Laut Rother sind es eben nicht per se die vielen Lean-Management-Instrumente, die sie einsetzen. Es ist die übergreifende, inhaltsneutrale Verbesserungs-Routine, die Verbesserungs-KATA und das damit einhergehende Selbstverständnis der Führungskräfte als Coach.

Die Verbesserungs-KATA

Die Schritte der Routine sind schnell verstanden:

1. Vision

Am Anfang steht die herausfordernde Vision. Sie sollte für alle Mitarbeiter des Unternehmens nachvollziehbar und erstrebenswert sein. Bloße Kennzahlen sind also nicht ausreichend. Der Weg dahin ist natürlich noch nicht bekannt. Darin besteht die Herausforderung.
Bei Toyota ist es beispielsweise der komplett realisierte One-Piece-Flow bei 100% Wertschöpfung und null Fehlern. In anderen Branchen kann die Vision anders aussehen. Eine gute Vision zu entwickeln kann einige Zeit in Anspruch nehmen, erfordert viel Reflexion und ist nicht unbedingt ein demokratischer Prozess. Zu viel fruchtlose Diskussion kann sich auch negativ auf die Veränderungsbereitschaft auswirken.

2. Ist-Zustand

Um den nächsten Zielzustand auf dem Weg zur Vision überhaupt definieren zu können, müssen die Beteiligten verstehen, wie die Ist-Situation ist – und zwar möglichst konkret. Hierbei helfen Fakten weit mehr als Meinungen.
Ein schönes Alltagsbeispiel entstammt ebenfalls aus Rothers Buch: Stellen Sie sich Ihre Morgenroutine vom Weckerklingeln bis im Auto auf dem Weg zur Arbeit vor. Sagen wir, Sie planen dafür 1 Stunde, sitzen aber regelmäßig 5 min zu spät im Auto. Was tun? Den Wecker einfach 5 min früher stellen? Kürzer duschen? Sinnvoller ist es, erst einmal darauf zu achten, wie lange Sie für die einzelnen Schritte brauchen (z.B. Badroutine, Anziehen, Frühstücksroutine, Tasche packen) und dann festzulegen, wie lange Sie dafür brauchen wollen. Dann können Sie leichter Zwischen-Checks einführen und herausfinden, wo Sie zu viel Zeit verlieren.

3. Zielzustände

Während Sie sich der Vision annähern, wird es einige Etappen brauchen. Es bringt wenig, alles auf einmal anpacken zu wollen. Etappensiege fokussieren und motivieren auch die Mitarbeiter besser. Auch hier sind Zahlen wichtig, um messbar zu machen, wie Sie vorankommen. Ergebniskennzahlen alleine reichen aber nicht aus, denn sie können nicht unmittelbar erreicht werden. Wichtiger ist zu beschreiben, wie der Prozess in Zukunft ablaufen sollte, um die Ergebniskennzahl zu erreichen.

4. Der Weg zum nächsten Zielzustand: Hindernisse verstehen und überwinden

Noch wissen Sie nicht, wie Sie den Zielzustand erreichen können. Zuerst gilt es also, in kleinen Schritten zu gehen, auszuprobieren. Plan – do – check – act (PDCA). Gehen Sie vor wie ein Forscher, der herausfinden will, was das System und die Beteiligten davon abhält, den Zielzustand zu erreichen. Denken Sie nicht vorschnell in Lösungen. Wenn Sie das Problem genau verstanden haben, liegt die Lösung auf der Hand!

Auf die richtige Haltung kommt es an!

Ich erlebe immer wieder, dass in Unternehmen nicht gerne von „Problemen“ gesprochen wird. Zu schnell haften Probleme Personen an. Auf der Suche nach Problemen in einem Bereich entsteht schnell die Befürchtung, dass die verantwortliche Person als inkompetent gesehen werden könnte. Das führt dazu, dass die Beteiligten lieber schnell Gegenmaßnahmen ergreifen oder die Probleme kaschieren. Um wirklich nachhaltig besser zu werden, ist es aber wichtig, Probleme genau zu verstehen und nachhaltig zu lösen. Dafür braucht es die richtige Haltung nach dem Motto: „Probleme und Misserfolg sind gute Signale, dass etwas im System nicht stimmt. Jetzt ist Offenheit und Zusammenarbeit gefordert. So können wir zusammen lernen und besser werden!“

Wer macht es?

Das klingt alles schön und gut, denken Sie jetzt vielleicht. Sollte man haben! Aber wer soll es tun? Alle sind doch schon ausgelastet.

Die Mitarbeiter selbst? „Es ist eine weitverbreitete und leider falsche Vorstellung von Toyotas Vorgehensweise, dass Prozessmitarbeiter in autonomen und selbstgesteuerten Teams arbeiten“, schreibt Rother. Bei Toyota gelten solche Konzepte sogar als „respektlos gegenüber den Menschen“, weil es zu viel verlangt und nicht effektiv sei, von den Mitarbeitern zu fordern, dass sie gleichzeitig ihre Arbeit gut machen, Probleme bewältigen und auch noch die Prozesse verbessern sollten.

Ein Prozessverbesserungs-Team oder eine Stabsstelle? Das würde nicht zu den angestrebten täglichen Verbesserungen in allen Prozessen führen.

Die Führungskräfte! Bei Toyota ist die Verbesserung die Kernverantwortung der Führungskräfte. Und es wird noch schwieriger: sie dürfen es noch nicht einmal selbst tun! Sie werden daran gemessen, wie gut die Probleme in ihrem Bereich gelöst werden, ohne dass sie selbst Lösungen entwickeln oder vorgeben sollen.  Interessant ist zum Beispiel die Rolle der Teamleiter: deren Hauptaufgabe ist es, die Prozesse zu beobachten und die Problemlösekompetenz im Team zu entwickeln. Das nimmt über 50% ihrer Zeit in Anspruch und hat Einfluss auf Gehalt, Bonus und Beförderung. Für diese Tätigkeiten gibt es eine eigene Routine:

Die Coaching-KATA

Inhaltlich bildet die Coaching-KATA die Verbesserungs-KATA ab. Folgende fünf Fragen werden in kurzen, häufigen Zyklen gestellt:

  1. Was ist der Zielzustand?
  2. Wie ist der jetzige Zustand?
  3. Welche Hindernisse halten Sie aktuell davon ab, den Zielzustand zu erreichen? Welches davon gehen Sie jetzt an?
  4. Was ist Ihr nächster Schritt? (Start des nächsten PDCA-Zyklus, meist keine Maßnahme zur Lösung, sondern eher noch ein tieferes Erfassen der Ist-Situation)
  5. Wann können wir uns vor Ort ansehen, was wir aus diesem Schritt gelernt haben? (Möglichst sofort)

Führen mit der Coaching-KATA geschieht immer möglichst am Ort des Geschehens. So kann sich die Führungskraft selbst ein Bild machen und dieses mit dem vergleichen, was die Mitarbeiter beschreiben. So kann sie auch erkennen, wo im Lernprozess der Verbesserungs-KATA die Mitarbeiter stehen. Das hilft ihr, ihre Coaching-Aktivitäten dem Lernbedarf anzupassen. Vorzugsweise finden Coaching-Gespräche unter vier Augen statt. So trauen sich die Mitarbeiter eher, Probleme offen anzusprechen.

Fazit

Die KATA ist ein sehr spannender Ansatz, der einige Ideen auf prägnante Weise verbindet, die auch für Change Management allgemein sehr wichtig sind. Die Herausforderungen sind u.a.:

  • Wie gelingt es, das Top-Management davon zu überzeugen, dass sie selbst als Vorbild voran gehen?
  • Wie kann eine Vision entwickelt werden, die zum Unternehmen passt und die kritische Masse aktiviert?
  • Welche Zielzustände sind geeignet? Hier wird es einiges an Übung brauchen, bis die Beteiligten in der Lage sind, erwünschte Prozesszustände zu beschreiben anstatt in Ergebniskennzahlen oder Lösungen zu denken.
  • Wie gelingt der Paradigmenwechsel weg von der Führungskraft als Manager und Macher hin zu der gewünschten Coaching-Haltung?
  • Wie können die Beteiligten gewonnen werden, die Unsicherheit auszuhalten? Wie lernen sie, immer noch einmal mehr hinzusehen, verstehen zu wollen und lieber noch eine Schleife zu drehen, bevor sie Gegenmaßnahmen entwickeln? Momentan scheinen sich eher diejenigen einen guten Ruf zu erwerben, die als Garanten für schnelle Lösungen überall zugleich Feuer löschen.

Auch der Transfer von industriellen Fertigungsprozessen auf Prozesse der Verwaltung, Dienstleistung oder gar Wissensarbeit wird eine interessante Herausforderung. Wir fangen mal damit an und berichten dann:-)

Schauen Sie doch mal bei unseren Weiterbildungen vorbei, vielleicht haben wir die passende Lösung für Sie!

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