Fallen im Projektmanagement – zweiter Teil

Im Blog-Beitrag vom 04. Juli habe ich den ersten Teil von Fallen im Projektmanagement veröffentlicht. Dort sind die ersten beiden Fallen (2.1 und 2.2) genauer erklärt. Im zweiten Teil werden die Fallen 2.3 – 2.5 beschrieben.

Inhalte des ibo-Projektmanagement-Modells Typische Projektfallen Blog-Beitrag
2.1 Projektinitiative
  • Optimismusfalle
2.2 Projektstruktur
  • Fachexpertenfalle
2.3 Projektkultur
  • Parkplatzfalle
  • Zweiter Teil, heutiger Beitrag
2.4 Projektplanung
  • Werkzeugfalle
2.5 Projektdiagnose und -steuerung
  • Tyrannosauruseffekt
2.6 Projektführung und -zusammenarbeit
  • Sitzungsfalle
2.7 Projektabschluss
  • Amnesiefalle

2.3 Projektkultur: Die Parkplatzfalle

Ihr Projekt startet und Sie bekommen als Projektressource einen Mitarbeiter, der im Unternehmen auf der „schwarzen Liste“ geführt wird. Die zuständige Führungskraft ist scheinbar froh diesen Mitarbeiter für einige Zeit in Ihrem Projekt „abstellen“ zu können und unterlegt diesen Eindruck mit einer Aussage wie: „Vielleicht schaffst du es ja diesen Mitarbeiter mit deinem Projekt zu motivieren.“

Oder Sie haben als Projektleiter einen Spezialisten angefordert haben und einen Newcomer aus der Abteilung erhalten, da dieser auch mal „Projektluft“ schnuppern soll.

Schwierige Situationen und zu erwartender Mehraufwand im Projekt sind für den Projektleiter vorprogrammiert, genauso wie Qualitätsprobleme, Terminverzögerungen und Akzeptanzprobleme.

Merkmale

  • Fachbereiche stellen Mitarbeiter nicht bereit, sondern ab
    • Unbequeme, Frustrierte
    • Entbehrliche, Newcomer
    • Zu Entwickelnde
  • Die besten Mitarbeiter behalten die Fachbereiche selbst
Auswirkungen

  • Vorgehenspläne können nicht erfüllt werden
  • Mehraufwand
  • Terminverzögerungen
  • Geringe Ergebnisqualität und Akzeptanz
Ansätze zur Überwindung

  • Projektaufgaben und erforderliche Qualifikationen definieren
  • Rechtzeitig auf Konsequenzen hinweisen
  • Klare Arbeitspaketaufträge definieren (Meilensteine, Termine)
  • Offen und partnerschaftlich mit den „Geparkten“ umgehen
  • Zusagen der Fachbereiche im Vorfeld gewinnen

Bleiben Sie klar in der Definition Ihrer Anforderungen an das Projektpersonal, welche Sie aus den Projektaufgaben ableiten und dokumentieren Sie diese Anforderungen. Sollten Ihnen die notwendigen Ressourcen nicht bereitgestellt werden, weisen Sie rechtzeitig auf die Konsequenzen hin und überarbeiten Sie die Projektplanung entsprechend. Gegebenenfalls müssen Meilensteine und Termine angepasst werden. Binden Sie Ihren Auftraggeber in die Abstimmung bei Ausweitung der Planung mit ein.

Mitarbeiter die in Projekten „geparkt“ werden verdienen einen offenen und fairen Umgang. Zeigen Sie Ihnen auf welche Möglichkeiten bestehen im Projekt eigenverantwortlich zu arbeiteten und sich außerhalb der Linienorganisation zu profilieren.

2.4 Projektplanung: Die Werkzeugfalle

Wir kaufen ein Software-Tool für Projektmanagement und unsere Projektplanung läuft dann ganz von alleine…Kling nach einer schönen Idee – doch leider wird das auch eine Idee bleiben. Ein Tool kann uns wertvolle Unterstützung liefern, wenn wir den Einsatz organisatorisch gut vorbereitet haben, die Mitarbeiter ausreichend geschult sind und die Rahmenbedingungen für die Nutzung auf die Anforderungen des Projektes angepasst sind. Wichtig ist, dass wir uns nicht hinter technischen Aufgaben verstecken, anstatt mit den Mitarbeitern in notwendige Gespräche zu gehen. Denn auch ein Tool verfügt nicht über magische Kräfte, welche die Projekte ganz von alleine fertig stellt.

Merkmale

  • Überzogene Anforderungen an die Nutzung eines Projektmanagement-Tools
  • Einarbeitungsaufwand wird unterschätzt
  • Einsatz ist organisatorisch nicht ausreichend vorbereitet (der Kauf eines Tools reicht nicht aus, Anwender müssen geschult werden, Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden,…)
Auswirkungen

  • Projektleiter beschäftigt sich lieber mit einem Projektmanagement-Tool und vergisst Führung
  • Die Nutzung schläft über die Projektlaufzeit ein
Ansätze zur Überwindung

  • Anforderungen aus bisher gelebtem Projektmanagement-System ableiten
  • Standards (Layout) für die Nutzung (durch-)setzen
  • Einfache und klare Checklisten und Bedienungslisten erstellen
  • Ausreichend Kapazitäten für Hotline, Beratung und Schulung zur Verfügung stellen

Auch hier ist ein wichtiger erster Schritt: Definieren Sie klare Anforderungen an die Nutzung eines Projektmanagement-Tools. Was soll das Tool erfüllen, welche Aufgaben sollen durch das Tool unterstützt werden? Welche Dokumentationen sollen dauerhaft im Projekt von welchen Beteiligten mit welchem Aufwand erstellt werden? Schaffen Sie Klarheit durch Standards und Checklisten für alle Beteiligten. Weniger ist manchmal mehr!

2.5 Projektdiagnose und –steuerung: Der Tyrannosaurus-Effekt

Ihr Projekt wurde bereits geplant und Sie haben bereits mit Ihrem Projektteam ein Stück des Projektweges hinter sich gelassen. In der Phase der Diagnose und Steuerung fragen Sie sich nun, ob Sie noch auf Kurs sind, ob Sie Ihre Ziele noch richtig im Blick haben und das Projekt in die richtige Richtung steuert.

In dieser Phase passiert es manchmal, dass neue Interessen und Begehrlichkeiten bei Beteiligten entstehen und diese als Zusatzaufgaben in das Projekt einfließen. Wir verzetteln uns in den Aufgaben, die Planung wird unklar, Termine verschieben sich, Kosten steigen, der gesamte Projektplan gerät auf einmal ins Wanken…Aus einem vorher gut geplanten Projekt ist „urplötzlich“ ein großer, unbeherrschbarer Dinosaurier erwachsen.

Merkmale

  • Nicht vereinbarte Zusatzaufgaben bei der Teamarbeit: „Es wäre schön, wenn wir noch…“
  • „Die Geschäftsleitung will das unbedingt auch noch haben!“
  • Projektleiter begeistert sich für Neues (schleichende Ausweitung)
Auswirkungen

  • Kosten wachsen ins Uferlose
  • Meilensteine verzögern sich
  • Verzetteln
  • Projektkomplexität wird unbeherrschbar
  • Komplizierte, schwer erlernbare Systeme
Ansätze zur Überwindung

  • Klare, abgestimmte und verbindliche Projektaufträge, Pflichtenhefte
  • Änderungsmanagement einführen, Redaktionsschluss
  • Immer Konsequenzen von „Extrawürsten“ auf Qualität, Termine, Kosten und Personaleinsatz aufzeigen
  • Klare Verantwortung für das Tragen der Konsequenzen einfordern

Denken Sie an Ihren klar abgestimmten und verbindlichen Projektauftrag, der von Ihrem Auftraggeber unterschrieben wurde. Dieser definiert den Leistungsumfang des Projektes. Jede Sonderleistung hat Auswirkungen auf die Ecken des Magischen Dreiecks mit Qualität, Kosten und Terminen, die vom Auftraggeber zu genehmigen sind. Lassen Sie sich Auftragsänderungen immer genehmigen.

Lesen Sie über weitere Fallen im nächsten Blog-Beitrag.

Wie sie typische Fallen in Projekten vermeiden lernen Sie mit der ibo Akademie: Projektmanagement Weiterbildung

Quellen

3 Kommentare

  1. Liebe Frau Zink,

    ich finde Ihren Blog zu den Projektfallen klasse und stimme Ihnen voll zu. Zum Tyrannosaurus-Effekt möchte ich etwas ergänzen.
    Den Scope Creep als einen klassischen Stolperstein auf dem Weg zum Projekterfolg versuchen wir seit jeher mit Absprachen, Dokumenten und Unterschriften in den Griff zu bekommen. Manchmal, vor allem in eher kleinen linearen Projekten, ist das eine gute Strategie.
    Ist die Komplexität des Projektes jedoch hoch, springt dieser Ansatz zu kurz. Dann braucht es ein „anderes“ Demand- und Anforderungsmanagement. Dieses „anders“ beginnt bei der inneren Haltung aller Beteiligten. Wir sollten beginnen Anforderungsmanagement als einen kontinuierlichen, niemals abgeschlossenen und vor allem niemals statischen Prozess zu verstehen. Soll heißen, wir müssen noch kleinschrittiger arbeiten, um zu jeder Zeit so flexibel wie möglich zu bleiben für Änderungen, neue Anforderungen (von innen oder außen). Zudem klappt es ja oftmals nicht besonders gut systematisiert Anforderungen bei den Kunden (User, Fachseite,..) aufzunehmen und sie gleichzeitig, durch die meist von der IT entwickelten Dokumente, zu einer Beschreibung in „Systemsprache“ zu pressen. Da reden gerne die Menschen in zwei verschiedenen Welten. Es gibt tolle Ansätze Anforderungen über „Storytelling“ bei den Anforderern abzuholen und dann (mit viel Diskurs natürlich) von den Spezialisten in Systeme und IT übersetzen zu lassen.
    Um es an dieser Stelle kurz zu machen:
    – Anforderungen sind nie „zu Ende“ formuliert und wir gestalten den Prozess so flexibel, dass wir jederzeit reagieren können
    – Die Anforderer sollten möglichst einfach natürlichsprachlich formulieren können, wo der Schuh drückt. Die Übersetzung findet nach der Mustererkennung statt.

    „Ist das Anforderungsmanagement sauber, gelingt auch das Projekt“ ist vielerorts die Maxime. Die gehe ich voll mit, jedoch ist der Begriff ’sauber‘ eventuell neu/ergänzend zu definieren.

    In diesem Sinne freue ich mich auf die Fortsetzung Ihres Blogs.

    Herzliche Grüße,

    Stephanie Borgert

    1. Liebe Frau Borgert,

      herzlichen Dank für die spannende Ergänzung des Tyrannosaurus-Effekts. Ihre Anmerkungen treffen für mich „voll ins Schwarze“.

      Besonders spannend finde ich immer wieder die Verzahnung von strukturellen und kulturellen Themen in Projekten und Unternehmen. Sie haben das für mich sehr treffend mit „dem Sprechen in zwei Welten“ beschrieben. Es geht hier ja auch um die Fragestellungen „Wie gehen wir miteinander um? Was lassen wir zu?“ und da ist die innere Haltung sicher ganz entscheiden.

      Stellen Sie sich eine Welt mit Anforderungen vor, die einfach und verständlich für jeden formuliert wurden. Mir gefällt diese Idee. Unsere Projektaufgaben sind bereits komplex und mächtig genug. Und da kommt auch wieder die Frage der inneren Haltung ins Spiel. Wir sollten immer zuerst mit der Frage bei uns starten „Was kann ich dazu beitragen, dass ein komplexes Problem einfacher, kleiner, verständlicher wird?“
      Das ist doch ein guter Ansatz für jedes Projekt – losgelöst vom Tyrannosaurus-Effekt.

      Herzliche Grüße sendet
      Katja Zink

      Ein bisschen Vorfreude darf noch sein: Der 3. Teil des Blogs folgt am 01. August!

      1. Liebe Frau Zink,

        ich bin „fast ganz bei Ihnen“. Die Frage lautet für mich: „Wie kann möglichst viele Anteile eines komplexen Problems einfacher, kleiner und/oder verständlicher machen?“ Gleichzeitig braucht es die innere Haltung zu den Teilen, die sich nicht ‚entkomplexieren‘ lassen – „Wie kann ich mit den komplexen Anteilen umgehen, wie kann ich auch da Entscheidungen treffen?“
        Meine Erfahrung ist, dass Komplexität oft als Problem betrachtet wird, welches es zu lösen gilt. Komplexität ist jedoch eine wesentliche Eigenschaft der Welt, in der wir heute leben. Das gilt auch für viele unserer Projekte. Wir sollten sie also willkommen heißen und uns darum kümmern, wie wir „trotz hoher Komplexität“ erfolgreich sein können.

        Ich wünsche Ihnen einen guten Start in eine schöne Woche,

        Stephanie Borgert

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