Ist die New Work-Bewegung ein Auslaufmodell, wie es jüngst in den Medien behauptet wird? Oder brauchen wir vielmehr eine Neujustierung, um das wahre Potenzial von New Work endlich zu entfalten?
Unternehmen schmücken sich mit Buzzwords wie Agilität, Homeoffice und flachen Hierarchien. Gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, die New Work als Illusion betiteln, als frommer Wunsch, der längst verpufft ist. So kehren aktuell viele Unternehmen zurück in ihre herkömmliche, tradierte Arbeitswelt. Doch das Problem ist nicht New Work selbst – sondern wie wir damit umgehen. Was ist aus der ursprünglichen Idee von Frithjof Bergmann geworden? Ist die New Work-Bewegung ein Auslaufmodell, wie es jüngst in den Medien behauptet wird? Oder brauchen wir vielmehr eine Neujustierung, um das wahre Potenzial von New Work endlich zu entfalten?
New Work: Die vergessene Vision
Der Begriff New Work wurde in den 1980er-Jahren von Frithjof Bergmann geprägt. Sein Ziel war eine fundamentale Neuordnung der Arbeitswelt, die Menschen aus entfremdeter Lohnarbeit befreit. Arbeit sollte nicht mehr nur Mittel zum Zweck sein, sondern ein Ausdruck von Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit.
Doch was ist daraus geworden? Heute wird New Work oft auf flexible Arbeitszeiten, Remote Work und flache Hierarchien reduziert. Die eigentliche Frage – wie wir Arbeit so gestalten, dass sie Menschen erfüllt – bleibt unbeantwortet.
New Work wird bewusst missverstanden – und das gefährdet unsere Zukunft!
Warum? Weil wahre Selbstbestimmung für Unternehmen unbequem ist. Sie passiert nicht automatisch, kann weder verordnet noch delegiert werden. Sie verlangt ein radikales Umdenken, weg von Kontrolle und Steuerung hin zu Transparenz, Interaktion und Verantwortung.
Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, die Vision Bergmanns umzusetzen, und damit das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber in der Weise zu nutzen, dass es als gemeinsame Verpflichtung angesehen wird und damit eine eigenverantwortliche, selbstbestimmte Potenzialentfaltung in Organisationen möglich wird.
Ohne psychologische Sicherheit, Selbstwirksamkeit und eine echte Transformation der Unternehmenskultur bleibt New Work eine Illusion.
– Christian Konz
Ohne psychologische Sicherheit ist New Work ein leeres Versprechen
Eines der größten Missverständnisse rund um New Work ist, dass Selbstbestimmung eine menschliche Eigenschaft ist, die wir nur aktivieren müssen. Doch Menschen können nur dann eigenverantwortlich arbeiten, wenn sie sich sicher fühlen – sowohl in ihren Teams als auch in der gesamten Organisation.
Dabei geht es im Kern um die Vision, dass jedes Organisationsmitglied die gleiche Chance hat, sich authentisch, kritisch und konstruktiv in die Organisationsentwicklung einzubringen.
Hier kommt das Konzept der psychologischen Sicherheit ins Spiel. Amy Edmondson, Professorin in Harvard, beschreibt es als die Fähigkeit eines Individuums bzw. Teams, Risiken einzugehen, Irrtümer und Fehler transparent zu machen und neue Ideen zu äußern, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.
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Doch genau hier hakt es in vielen Unternehmen:
- Mitarbeitende trauen sich oft nicht, Risiken einzugehen, weil sie Angst vor negativen Konsequenzen haben.
- Führungskräfte halten an Kontrolle fest, weil sie befürchten, dass Selbstorganisation ihre Macht aushöhlt und die Organisation ins Chaos führt.
- Innovation und Organisationsentwicklung werden blockiert, weil Menschen schweigen, anstatt mutig neue Ideen einzubringen.
Unser Podcast Psychologische Grundbedürfnisse im Berufsalltag bestätigt:
Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind nicht nur produktiver, sondern auch kreativer und resilienter. Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie aktiv dazu beitragen, ein Umfeld zu schaffen, in dem eine offene und authentische Interaktionskultur entstehen kann.
Mein Fazit: Wer echte Selbstbestimmung will, muss zuerst psychologische Sicherheit schaffen.
– Christian Konz
Selbstwirksamkeit als Schlüssel zur Transformation
Ein weiteres oft übersehenes Konzept, das mit der psychologischen Sicherheit einhergeht, ist Selbstwirksamkeit. Der Begriff stammt von Albert Bandura und beschreibt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu meistern (Selbstwirksamkeit im Beruf | ibo Akademie).
Warum ist das wichtig? Weil sich Menschen nur dann aktiv einbringen, wenn sie daran glauben, dass ihr Handeln etwas bewirkt. Viele Unternehmen versuchen, Selbstorganisation „von oben“ zu verordnen – doch das scheitert, wenn Mitarbeitende sich nicht in der Lage fühlen, Verantwortung zu übernehmen. Über die Bedeutung von Selbstwirksamkeit und wie wir diese fördern können, erfährst Du u.a. in meinen Blog-Beiträgen: Selbstführung: So knackst Du Deine unbewusste Inkompetenz! | ibo Blog und Weg mit der FEHLERdenke! Zukunft braucht neue Lernkultur | ibo Blog
Was Unternehmen tun können, um Selbstwirksamkeit zu stärken:
- Echte Partizipation ermöglichen: Entscheidungsprozesse etablieren, die Mitarbeitende ermutigt, an Veränderungen von Beginn an mitzuwirken, und diese mitzugestalten.
- Erfahrungs- und Lernkultur fördern: Scheitern, Krisen und Konflikte als Teil des Lernprozesses verstehen und z.B. über Retrospektiven, Zwiegespräche und Kollegiales Coaching unterstützen.
- Persönliches Wachstum ermöglichen: Klare Entwicklungswege aufzeigen und Weiterbildungen fördern.
- Freiräume schaffen: Mitarbeitenden Zeit und Ressourcen für eigene Projekte geben.
Berufliche Selbstwirksamkeit zeigt sich insbesondere im Umgang mit veränderten Situationen, Druck und Stress.
- Selbstwirksame Menschen fühlen sich nicht hilflos oder als Spielball, sondern reflektieren, was sie ändern und nicht ändern können und finden Handlungsmöglichkeiten, um mit dem Neuen umzugehen.
- Selbstwirksamkeit zeigt sich auch in vertrauensvoller Zusammenarbeit in Teams und Organisationen, setzt Potenziale frei und schafft die Basis für Innovationen.
- Zudem sind Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung eher motiviert, sich anzustrengen, Hindernisse zu überwinden und ihre Ziele zu verfolgen.
Wie Unternehmen echte New-Work-Transformation gestalten können
Die gute Nachricht: Unternehmen können sofort beginnen, New Work in seiner visionären Form zu fördern und umzusetzen. Aber dazu braucht es mehr als Kickertische und Homeoffice-Regelungen.
In unserer 3-teiligen Podcast-Reihe Selbstwirksamkeit als Game Changer erfährst Du, was jede:r tun kann, um die eigene Selbstwirksamkeit zu steigern und welche konkreten Schritte die Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Veränderungsbereitschaft im organisationalen Kontext fördern.
New Work beginnt folglich idealerweise auf der Individuumsebene, also bei der wichtigsten organisatorischen Einheit, dem Menschen.
Die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstreflexion ist vor diesem Hintergrund die Voraussetzung für psychologische Sicherheit und Selbstwirksamkeit. Dabei können einfache Fragen den Weg bereiten für persönliche Potenzialentfaltung und selbstbestimmte Arbeit, die sich jeder stellen kann – denn jeder ist schließlich seine eigene Führungskraft.
- Welche Verhaltensweisen bzw. Erlebnisse haben bei mir eine Resonanz
ausgelöst? Im organisatorischen Kontext kann das alles sein, eine Workshop-Situation mit Kolleg:innen oder Kunden, die konkrete Zusammenarbeit in Prozessen, strategische oder operative Entscheidungen im Projekt- oder Tagesgeschäft. - Welche positiven bzw. negativen Emotionen verbinde ich mit dieser
Resonanz? Wahrgenommenes Verhalten und Erlebnisse können unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Sich diese bewusst zu machen und sich darauf einzulassen, kann durchaus herausfordernd und anstrengend sein, ist jedoch für die Selbstreflexion und den persönlichen Lernprozess unerlässlich. - Wie lange hat mich die Resonanz beschäftigt? Die Antwort auf diese Frage misst der Resonanz die Bedeutung bei, die ich ihr zugestehe. Je länger mich eine Resonanz, gekoppelt mit positiven oder negativen Emotionen, beschäftigt, umso wichtiger scheint diese zu sein.
- Wie habe ich reagiert bzw. wie habe ich mich verhalten?
Eine wichtige Frage, die das Geschehene nochmal bewusster macht, indem das eigene Verhalten in das Zentrum der Betrachtung rückt. Das schult die eigene Beobachterkompetenz. - Wie wahrscheinlich ist es, dass ich mich beim nächsten Mal anders verhalte?
Alleine diese Frage kann dazu anregen, erkannte Verhaltensweisen zu hinterfragen bzw. auf neue Optionen zu kommen. Der persönliche Veränderungsbedarf beeinflusst den Grad der Veränderungsbereitschaft. - Warum?
Die Antwort auf das Warum gibt dem Ganzen Sinn, bestätigt bekannte Verhaltensmuster oder ermöglicht neues Verhalten.
Vom Mindset zum Mindshift – Kleine Schritte in Richtung New Work mit dem persönlichen Entwicklungsboard
Die Beantwortung der oben gestellten Fragen kann in einem persönlichen Entwicklungsboard erarbeitet und fortgeschrieben werden. Idealerweise unterstützen Führungskräfte in der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieses individuellen Lern- und Entwicklungsprozesses (vgl. hierzu auch Change Management heute: kontinuierliche Micro Changes auf allen Interventionsebenen | ibo Blog).
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Der Moment of Truth (MoT) beschreibt die konkrete Situation, in der ich wahrnehme, dass sich etwas geändert hat, oder nicht! Gerade diese Manifestierung zukünftiger Handlungen im Hier und Jetzt ermöglicht es, bereits in der Reflexion des Geschehenen auf neue Optionen zu kommen, die vorstellbar und umsetzbar erscheinen. Das ermöglicht Veränderung in kleinen Schritten, und wenn sich diese Form der persönlichen Potenzialentfaltung in Teams und Organisationen durchsetzt und kultiviert, dann ist die Grundlage für New Work geschaffen.
Fazit
New Work ist nicht gescheitert – wir haben es nie wirklich versucht
New Work ist kein Auslaufmodell, sondern eine dringend notwendige Entwicklung. Aber sie wird nur dann funktionieren, wenn wir sie verstehen und umsetzen.
- Es reicht nicht, Arbeitsmodelle zu flexibilisieren, wenn gleichzeitig die Kontrolle bleibt.
- Es reicht nicht, Hierarchien abzubauen, wenn Führungskräfte ihre Macht nicht loslassen.
- Es reicht nicht, Selbstorganisation zu fordern, ohne psychologische Sicherheit zu gewährleisten.
New Work verlangt nicht weniger als eine fundamentale Neuausrichtung unserer Arbeitswelt. In meinem Blog-Beitrag: Mit New Work zum Game Changer erfährst Du mehr über diesen Erfolgsfaktor der Zukunft und wie wir diesen aktiv gestalten können!
Unternehmen, die jetzt handeln, haben die Chance, sich nachhaltig zu transformieren – und Arbeit endlich zu dem zu machen, was sie sein sollte: eine Quelle persönlicher Potenzialentfaltung – die Voraussetzung für organisationale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Prosperität.
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Wie stehst Du zu New Work? Ist es eine echte Revolution oder eine überbewertete Illusion?
Diskutiere mit mir in den Kommentaren!
Christian Konz
Geschäftsführer ibo Akademie
E: christian.konz@ibo.de
T: +49 641 98210-330
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Das praxiserprobte Format “Selbstwirksamkeit in Organisationen” ist ein 12-wöchiges Programm, bei dem wir Dich und Deine Organisation unterstützen auf diese Lernreise zu gehen. Ziele sind eine höhere Selbstwirksamkeit und Resilienz der Teilnehmer:innen und eine Stärkung der vertrauensvollen Zusammenarbeit als Basis für Veränderung und Innovation. Folge für mehr Informationen einfach diesem Link: Selbstwirksamkeit im Beruf | ibo Akademie
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