Change-Prozesse erfolgreich gestalten – Was wir von Innovationen und Startups lernen können!

Innovationen entstehen und vergehen heute schneller als je zuvor. Die Suche nach und das Hoffen auf die nächste Killer-App lässt weltweit Geschäftsmodelle im Sekundentakt aufblitzen und wieder verpuffen. Die Startup-Szene war noch nie so aktiv wie heute.

Etablierte Player wollen es den jungen Wilden gleichtun. Sie kaufen, investieren, gründen eigene Innovations-Labs und wollen mitspielen, um auch morgen noch eine Rolle spielen zu können. Doch was von außen betrachtet beinahe alternativlos erscheint – wer jetzt nicht handelt, der wird behandelt – das wird häufig innerhalb der organisatorischen Mauern mit Argwohn betrachtet, gerne in Frage gestellt und nicht selten zerredet. „So einfach geht das nicht.“ Mag sein! Zu stark sind oft die Beharrungskräfte und Muster, „…die sich ja bewährt haben und uns dahin gebracht haben, wo wir heute sind.“ Oder besser gesagt, noch sind! Natürlich braucht es zeitgemäße und innovative Geschäftsmodelle, keine Frage. Aber was hat das mit mir, mit uns zu tun? Eine ganze Menge!

Wenn aktuell Geschäftsmodelle so schnell entstehen und ganze Branchen und Märkte verändern, warum ist es (dann immer noch) so schwer, Organisationen zu verändern? Können wir nicht von der Startup-Szene und den immer kürzeren Innovationszyklen etwas lernen und auf die Organisationsentwicklung übertragen? 

Nur 19 Tage nachdem am 6. Juli 2016 Pokémon Go veröffentlicht wurde, liefen weltweit 50 Millionen Menschen vertieft in ihr Handy über rote Ampeln, rannten verwirrt in Straßenschilder und belagerten auf der Suche nach den stärksten Monstern öffentliche Plätze.

Als Ferdinand Graf von Zeppelin im Jahr 1909 die erste kommerzielle Fluglinie gründete und damit einen Grundstein für die Vernetzung unserer Welt legte, dauerte es 64 Jahre, bis der 50-millionste Passagier in ein Flugzeug stieg. […] Egal wie relevant eine Erfindung für die Menschheit sein mag, für die Verbreitung von Innovationen sind andere Faktoren entscheidender. Ausschlaggebend ist vor allem die Größe des Netzwerkes, in dem eine Erfindung verbreitet wird.

Quelle: https://de.statista.com/infografik/14385/wie-schnell-sich-erfindungen-verbreitet-haben/
(Patrick Wagner)

Quelle: https://de.statista.com/infografik/14385/wie-schnell-sich-erfindungen-verbreitet-haben/

Zugegeben: Pokemon Go (ja, das gibt’s tatsächlich noch) ist schon etwas älter. Wenn jedoch vor allem die Größe des Netzwerks ausschlaggebend dafür ist, wie schnell sich eine Erfindung verbreitet, dann bedeutet das Übertragen auf Organisationen, dass erfolgreiche Organisationsentwicklung von der Größe und Qualität des Netzwerks abhängt – bestimmt durch die Interaktionen zwischen Individuen, die den „Change“ nicht nur akzeptieren, sondern auch interpretieren, kommunizieren und ins Unternehmen tragen.

Wenn Du etwas wirklich verstehen willst, dann verändere es!

Kurt Lewin

Hauptgründe für das Scheitern von Veränderungsprozessen

Werfen wir einen Blick auf die Gründe, warum Veränderungsprozesse scheitern, dann verwundert es wahrscheinlich zunächst niemanden, dass laut einer aktuellen TED-Studie (Change-TED No. 4) für 78 % der Befragten die schlechte Kommunikation und mangelnde Nachvollziehbarkeit der Veränderungsnotwendigkeit sowie mit 55 % unklare bzw. fehlende Verantwortlichkeiten ganz weit vorne liegen. Für 82 % der Mitarbeiter/innen sind Ängste der größte Change-Bremser. Und für 66 % der Führungskräfte ist es der Stress durch die Überlastung im Veränderungsprozess. Auf der anderen Seite erzielen eigenverantwortliches Handeln (72 %) und Wertschätzung als Anerkennung von Leistung (67 %) ähnlich hohe Umfragewerte, wenn es um die Bereitschaft zur Übernahme neuer Rollen und Aufgaben geht.

Was können wir daraus schließen? Zum einen, dass jeder die Chance erhalten muss, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Das kann gelingen durch:

  • Frühe Einbindung der Beteiligten/Betroffenen
  • Ernstnehmen von Ängsten und Schaffen von Verständnis
  • Setzen klarer Prioritäten
  • Schaffen von Transparenz

Verantwortung zu teilen heißt Informationen zu teilen – auf jeder Ebene! Das bedeutet Investition – investieren Sie in die Akzeptanz der Veränderung und in nachvollziehbare Entscheidungsprozesse.

Doch gerade davor schrecken die meisten Entscheider/innen und Initiator/innen von Change-Maßnahmen zurück. Am Anfang heißt es oft, Geschwindigkeit aufnehmen: „Wir haben doch keine Zeit!“ Tatsächlich kostet Transparenz und frühe Einbindung neben Schweiß und Tränen, Geld und Zeit! Daher greifen die meisten Veränderer (immer noch) auf strukturierte Veränderungsprozesse zurück. Diese traditionelle Denkweise beteuert, dass es ein plangetriebener Prozess und ein ausgefeiltes Veränderungsprogramm schon richten wird.

Aber gerade der Versuch, einen strukturierten Veränderungsprozess zu implementieren, ist einer der Gründe für das Scheitern von Veränderung. (Jason Little)

Veränderungsprozesse effizient gestalten

Doch auch Veränderungsprozesse lassen sich effizient und effektiv gestalten. Wie? Indem von Beginn an mit offenen Karten gespielt wird und die „Beteiligten zu Betroffenen“ gemacht werden. Auch wenn der einsame Beschluss im kleinen Kreis meiner vermeintlichen Peer Group (graue Kurve, s. Grafik) zu Beginn einer Veränderung schnell Meter macht und wenig kostet – der große Batzen kommt erfahrungsgemäß schleichend im weiteren Verlauf des Changes: verdeckte Opponenten werden zu offenen, und die sind dann meistens in der Mehrzahl. Veränderung scheitert. Ende! Die orangene Kurve (s. Grafik) verläuft zwar gerade am Anfang durch die frühe Einbindung und die Transparenz langsamer und für alle Beteiligten anstrengender. Eine gemeinsam getragene Entscheidung über die Notwendigkeit der Veränderung und die Akzeptanz derselben liegt jedoch näher – die Chance, dass potenzielle Promotoren zu echten Multiplikatoren der Veränderung werden, ist hier höher! 

Veränderungsprozesse gestalten

Eine „kritische Masse“, eine Koalition der Willigen und Fähigen ist daher insbesondere am Anfang einer Transformation essentiell für den Veränderungserfolg. Je größer dieses Netzwerk, desto größer die Chance, dass Veränderung sogar Spaß machen kann!

Das gilt auch für das Veränderungsteam selbst. Zu einem erfolgreichen Transformationsteam gehört daher, dass es sich kontrovers und konstruktiv, heterogen aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen zusammensetzt. Dazu braucht es ein Team aus Organisatoren, Change Managern, Coaches und vor allem ‚Leadern, die nicht nur als Vorbilder vorangehen, sondern mit der nötigen Klarheit und Offenheit den Ernst der Lage transparent machen und den Rahmen und die Orientierung schaffen, um den Boden für Selbstorganisation und Selbstführung zu bereiten.

Das Einlassen auf ein nicht-lineares, Feedback-getriebenes Veränderungsmodell ist ein weiteres Kriterium für die Chance auf eine erfolgreiche Veränderung. Bei komplexen Veränderungen hilft ein hypothesengeleitetes, erfahrungsbasiertes Vorgehen! Es geht darum, ausgehend von gesammelten Informationen und gewonnenen Einsichten, aus einer Vielfalt an Handlungsoptionen Experimente zu starten, und deren Ergebniswirkungen regelmäßig zu überprüfen.

Hypothesengeleitetes, erfahrungsbasiertes Lernen

Dieser agile Meta-Prozess wird immer wieder aufs Neue durchlaufen und inhaltlich adaptiert. Da Unternehmen und Organisationen per se komplex sind (es ‚menschelt‘), sollte sich das Change-Team dessen bewusst sein und die Komplexität der Veränderung und die damit einhergehende Unsicherheit in den Veränderungsprozess integrieren und nicht versuchen, diese auszublenden (Stichwort: VUCA). Es gilt die Dynamik der Organisation zu verstehen und aufzunehmen, indem man die Vielfalt an Tools und Ansätzen aus verschiedenen Disziplinen zusammenträgt und nutzt.

Rollen eines erfolgreichen Change-Teams

Idealerweise setzt sich ein erfolgreiches Change-Team grundsätzlich aus den folgenden Rollen zusammen, die sich durch ihre unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen komplementär ergänzen und so zum Gelingen einer Transformation beitragen.

Agile Leader: Als Coach und Lernbegleiter/innen initiieren Agile Leader Selbstorganisation auf den Ebenen Individuum, Team und Organisation und lassen kreative Lernprozesse im gesamten Unternehmen entstehen. Dabei stellen sie die persönliche Entwicklung in den Mittelpunkt aller Veränderungsvorhaben, um Selbstführung und Selbstreflexion zu ermöglichen.

Agile Coach: Agile Coaches gestalten Transformations- und Entwicklungsprozesse insbesondere auf der Team- und Organisationsebene. Sie implementieren und skalieren agile Methoden und Ansätze dort, wo sie Sinn machen. Und sie begleiten Mitarbeiter/innen und Führungskräfte auf dem Weg in die Agilität – methodisch, strukturell und kulturell

Organisator: Organisator/innen sind Expert/innen für Unternehmensprozesse und -strukturen. Sie implementieren Aufbau- und Ablaufstrukturen zielorientiert und systematisch, und vermitteln die grundlegenden Kompetenzen und das Handwerkszeug für erfolgreiches Organisieren im Tages- und Projektgeschäft.

Change Manager: Change Manager/innen sind Transformationsbegleiter/innen. Sie haben das Know-How, um nachhaltige Veränderungsprozesse auf der Organisations-, Team- oder Persönlichkeitsebene zu gestalten. Durch Micro Changes und übergreifende Veränderungsarchitekturen schaffen sie den Rahmen für Kulturentwicklung.

So gesehen gilt für ein Change-Team das gleiche wie für das gesamte Unternehmen bzw. die Gesamtorganisation – die Haltung, mit der die Beteiligten in die Transformation einsteigen, entscheidet über Erfolg und Misserfolg von Veränderungsprozessen. Es gilt:

  • Loszulassen von allem Bisherigen und offen sein für Neues.
  • Auf Kontrollzwänge zu verzichten und sich stattdessen auf die Dynamik einzulassen.
  • Selberdenken und -handeln jedes Einzelnen zu fordern und zu fördern.
  • Einen Rahmen und Orientierung zu schaffen, um Selbstorganisation und Selbstführung zu ermöglichen.

Werden Sie selbst wirksam – das Ich gestaltet das Wir! Viel Spaß bei der Veränderung.

Mit unseren Weiterbildungen gehen wir mit Ihnen gemeinsam die neuen Wege und geben Ihnen die Sicherheit, die richtigen Dinge anzupacken.

2 Kommentare

  1. Lieber Christian,
    lese viele Parallelen zu unserem neuen Buch 😉 Dann sind wir ja gemeinsam auf der richtigen Spur.
    Möchte lediglich anmerken, die Rollen-Inhaber des Change Teams mehr als (nur) methodische Kompetenzen benötigen. Ich weiß, dass Du das weißt. 🙂 Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass die Personen, welche die o.g. Rollen in Organisationen wahrnehmen, nur mehr oder weniger den notwendigen Anforderungen (Reflexionsfähigkeit und deren Umsetzung) – zumindest zu Beginn – entsprechen. Daraus folgt, dass der individuelle Lernprozess gerade nicht nur bei den „Beteiligten“ stattfinden sollte, sondern zunächst und vor allem bei den Mitgliedern des Change Teams. Ich glaube, auch darüber sind wir uns einig.
    Meine Schlussfolgerung ist, dass der Lernprozess dieser Personen zusätzlich unterstützt werden muss; durch in- und/ oder externe Coaches bzw. Führungskräfte, welche dazu bereits in der Lage sind.
    Herzliche Grüße
    Michael

    1. Lieber Michael,
      besten Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr über Deine Anmerkungen und die wertvollen Ergänzungen. Ich sehe es ganz genauso und kann das auch nur bekräftigen. Eine Unterstützung des Lernprozesses durch erfahrende Führungskräfte und Coaches ist dringend geboten, nicht nur im Hinblick auf die Entlastung der angesprochenen Personenkreise was die Koppelung der Reflexionsfähigkeit mit der Umsetzungsorientierung anbelangt, sondern auch in Bezug auf die Erweiterung der Vielfalt an Perspektiven und die damit einhergehende persönliche Potenzialentfaltung.
      Herzliche Grüße
      Christian

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